Ich bin bereits einige Zeit im Besitz des Buches und bekam es liebenswerter Weise von Antje (lesewiese.net). Da stand das Teil nun im Bücherregal und nachdem ich meine zwei gerade erstandenen Werke beendete, wagte ich mich heran. Bereits jetzt möchte ich anmerken, dass ich das Buch erst im dritten Anlauf zu Ende las und dazwischen auch mal 2-3 Wochen Pause war, weil ich keine Lust hatte, den Wälzer mit herumzuschleppen und daheim einfach keine Leselust entwickeln konnte. Interessanterweise flutschte das Lesen in den letzten Tagen geradezu und ich verpasste das ein oder andere Mal meinen eigentlichen Aussteigepunkt auf dem Weg zur und von der Arbeit. Vielleicht liegt es an der Jahreszeit, vielleicht auch daran, dass die dritte Lesephase in einem Teil startete, wo die Handlung für mich endlich mal interessant wurde. Erklären kann ich es nicht, aber es war so.
Aber nun zum Buch:
Familie Lambert wohnt in St. Jude, im mittleren Westen Amerikas. Enid und Alfred, ein älteres Ehepaar, haben drei erwachsene Kinder, von denen jedes einzelne eigene Probleme zu bewältigen hat. Um so stärker sind sie genervt, dass ihre Mutter Enid die gesamte Familie gerne noch einmal an einem Weihnachtsfest im elterlichen Haus beisammen haben möchte, da es in dem Jahr vielleicht die letzte Chance ist: Alfreds gesundheitliche Verfassung lässt besorgniserregend stark nach.
In jeweils einzelnen Handlungssträngen lernt der Leser die drei Kinder kennen. Gary, der älteste Sohn, ist ein erfolgreicher Banker, verheiratet und hat ebenfalls drei Kinder. Auf dem ersten Blick wirkt alles perfekt, doch der Leser bemerkt schnell die depressiven Schübe bei Gary und es ist nicht immer deutlich zu erkennen, ob seine Ehefrau Caroline wirklich manipulativ ist und die drei Söhne gegen den Vater aufhetzt oder ob dies nur die Fehldeutungen von Garys Wahrnehmung ist.
Chip, das zweite Kind von Enid und Alfred, war eigentlich Literaturprofessor, ließ sich aber auf eine Affaire mit einer Studentin ein. Der zweite Karriereversuch als Drehbuchautor in New York scheitert kläglich. Wie der Zufall es will, landet er letztendlich in kriminellen Geschäften in Litauen.
Denise, das einzige Mädchen der drei Lambert-Kinder, ist Küchenchefin eines renommierten Restaurants in Philadelphia. Da sie aber nicht nur mit dem Inhaber des Restaurantbesitzers schläft, sondern auch eine Affaire mit dessen Frau hat, verliert sie ihren Job.
Wie die Handlungsstränge es so wollen, führen sie pünktlich zum Weihnachtsfest zusammen nach St. Jude.
Wie oben erwähnt, brauchte ich etwas länger, um mit dem Buch warm zu werden. Es lag vielleicht auch daran, dass wir direkt mit Chip starteten und ich die Handlung um ihn herum nicht so spannend/unterhaltsam/interessant fand. Es ist schwierig, es zu beschreiben. Es packte mich einfach nicht.
Da ich es aber gerne dabei belassen möchte, dass ich nur ein zwei Bücher bzw. Werke nie zu Ende las, gab ich Die Korrekturen noch eine Chance und nun die finale. Bis auf Chip mochte ich die Charaktere, weil Franzen sie überaus menschlich mit allen Fehlern erschuf. Der mürrische Alfred, den man rückblickend auch als Familienvater erlebt und sich erschreckt, wie steif und konservativ Menschen ihr Leben lang sein können. Enid, deren Erfüllung es ist, dem Wort Familie einzuhauchen, auch wenn sie tief im inneren weiß, dass ihr eigenes (Ehe-)Leben wesentlich schöner hätte sein können. Oder Gary, dessen Gedankengänge genau so gezeichnet sind, dass man sich als Leser selber fragen muss: „Überspitzt er die Situation oder verbündet sich seine Frau Caroline wirklich mit ihren Kindern gegen ihn?“
Franzen gelang es, die Fragilität von menschlichen Verbindungen anhand der Familie Lambert darzustellen. Wie kostbar Beziehungen sind und wie schnell sie durch Nachlässigkeit und Fehltretten langsam kaputt.
Ich für meinen Teil werde es nun ersteinmal gewiss ein paar Jahre im Regal stehen habe, bevor ich es erneut lese. Aber eins weiß ich jetzt schon: Aufgrund der vielen Details werde ich Familie Lambert wahrscheinlich neu kennenlernen und wer weiß, vielleicht werde ich dann auch mit Chip warm.