Der Schatten des Windes oder wie ich seit langem mal wieder nicht mit einem Buch fertig werden wollte

Der Schatten des Windes. Carlos Ruiz Zafón. Gekauft habe ich es eher zufällig, weil es mir im Buchhandel bei der Neuversorgung in die Hände fiel. Der Name weckte bei mir irgendwie eine Erinnerung, dass ich da mal was lesen wollte. Das war aber eigentlich Marina. Der Inhalt auf der Rückseite las sich jedoch auch ganz gut, also nahm ich es neben Gone Girl und unserem ersten New York Reiseführer einfach mit.

Jedes einzelne Buch hat eine Seele. Die Seele dessen, der es geschrieben hat, und die Seelen derer, die es gelesen und erlebt und von ihm geträumt haben.

Und genau wegen solcher Buchzitate liebe ich manche Bücher mehr als andere und ich bereue den Kauf in keiner Weise. Im Gegenteil. Ich bin irgendwie traurig, dass es vorbei ist und kann nicht einmal die richtigen Worte finden, warum es so ist.

Aber zunächst zur Handlung…

1945. Barcelona. Der noch junge Daniel Sempere wird von seinem Vater, der eine Buchhandlung besitzt, an einen wahrlich mysteriösen Ort geführt: Der Friedhof der vergessenen Bücher. Daniel soll sich hier ein Buch auswählen, dass er von nun an vor dem entgültigen Vergessenwerden beschützen soll. Es ist Der Schatten des Windes eines Julián Carax. Er liest das Buch und möchte am Ende mehr über den Autor erfahren, doch hier startet ein Mysterium, das auch Daniels Leben zukünftig beeinflussen wird.

Die Jahre vergehen und Daniel setzt jedes einzelne Puzzlestein, das er über Julián Carax in Erfahrung bringen kann, mühsam zusammen und stößt dabei auch auf so manche Sackgasse. Ihm begegnen nicht nur geheimnissvolle Verfolger, sondern auch einige gefährliche Personen aus der Vergangenheit von Carax, die dieses Kapitel gerne vollständig löschen möchten. Am Ende offenbart sich ihm die Geschichte um den mysteriösen Autor und Daniel muss selbst aufpassen, dass sein Leben nicht noch mehr Gemeinsamkeiten mit Carax haben wird…

 

Was mich an diesem Buch so verzauberte war nicht die spannende Suche Daniels nach Carax, sondern die gesamte Komposition. Ich durfte Daniel beim Heranwachsen begleiten, mit ihm mitfühlen, als sein Herz das erste Mal gebrochen wurde. Auch seine sich entwickelnde Freundschaft zum ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Fermín, der sich von nichts und niemandem unterkriegen lässt, ließ mich so manches Mal schmunzeln. Legendär der Besuch im Pflegeheim für Senioren und das Versprechen Daniels  an einen alten Mann. Aber auch Fermíns Weisheiten lassen ihn so wahnsinnig sympathisch erscheinen.

Wirklich die Frauen verstehen tut keiner, nicht einmal Freud, nicht einmal sie selber, aber das ist wie bei der Elektrizität, man braucht nicht zu wissen, wie sie funktioniert, um eine gewischt zu kriegen.

Wahrscheinlich ist Der Schatten des Windes wie viele andere Erfolgshits nicht jedermanns Sache. Ich las in anderen Kritiken häufig auch, die Handlung sei zu flach und vorhersehbar und erinnere an Groschenromane. Dazu kann ich nix sagen, weil ich solche Druckerzeugnisse nicht lese und mir der Vergleich fehlt. Zu flach fand ich die Handlung in keiner Weise. Voraussehbar möchte ich so auch nicht unterschreiben, aber vielleicht ist mein Weltbild noch zu positiv, anstatt überall Familienskandale zu wittern.

Zafón nahm mich jedenfalls mit diesem Werk auf eine angenehme Reise in ein Barcelona, in dem spannende Charaktere gefühlt nur darauf warteten, einem ihre Geschichte zu erzählen. Und genau so hat sich für mich dieses Buch zu einer wunderbaren Erzählung verwoben. Es wird von mir definitiv wieder gelesen werden.

Es sind bereits zwei Fortsetzungsromane erschienen. Hier hadere ich noch mit mir, ob ich sie lesen will und soll. Einerseits möchte ich den Zauber des Gelesenen nicht verlieren, aber die Neugier, ob es so vielleicht weitergehen könnte, ist auch recht groß. Wahrscheinlich werde ich Barcelona in 2-3 Büchern wieder besuchen.