Es gibt mittlerweile zahlreiche Filme, die sich mit dem 2. Weltkrieg befassen. Siegerseite. Verliererseite. Tragische Geschichten, oft mitten aus den Erlebnissen von Überlebenden. Schindlers Liste. Der Pianist.
Wahrscheinlich denken auch einige mittlerweile „Och nee, nicht noch ein Film, in dem alle Deutschen die Dummen sind“.
Die Unlust, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen wird meist noch mit dem Merkmal „Deutsche Filmproduktion“ stark gesteigert. 2014 kam jedoch ein Film in die Kinos, dessen Hauptfigur fiktiv ist, der Hintergrund zum Film jedoch real und ernst ist. „Im Labyrinth des Schweigens“ ist ein Titel, der Bände spricht.
Ende der 50er Jahre. Das Ende des Krieges liegt schon etwas zurück, im Zuge des Wirtschaftswunders haben die Deutschen den Spaß am Leben wieder entdecken können. Doch manche Bürger wirft der pure Zufall auf der Straße zurück in die Vergangenheit, die nicht vergessen ist, nicht vergessen werden kann. So geht es auch Simon Kirsch, der einen ehemaligen Aufseher im KZ Ausschwitz erkennt, während er unterwegs ist. Sein Bekannter, der Journalist Thomas Gnielka, will ihm helfen und möchte gemeinsam mit ihm Anzeige gegen diesen Wärter erstatten. Doch niemand in der Frankfurter Staatsanwaltschaft interessiert sich wirklich dafür.
Bei dem jungen Staatsanwalt Johann Radmann wird jedoch Interesse an dem Fall geweckt. Er weiß zwar nicht wirklich etwas mit Ausschwitz anzufangen, aber irgendetwas muss sich doch dahinter verstecken . Anfangs noch müde von den Kollegen belächelt, übergibt ihm schließlich der Generalstaatsanwalt die Leitung der Ermittlung. Was auch immer in Ausschwitz passierte, Täter müssen für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden, so Radmanns berechtigte Meinung.
Die Basis des noch mühsamen Ermittlungskampfes sind Dokumente von Kirsch. Listen aus dem Lager mit den Namen einiger Wärter. Aufgespürte Zeugen erzählen in der Vernehmung von den furchtbaren Taten. Die vermeintlichen Täter werden im sichtbar erschütterten Team um Radmann über Telefonbücher ausfindig gemacht und nach und nach festgenommen sowie verhört.
Unterstützung durch Behörden gibt es nicht. Im Gegenteil. Radmann muss sich Anfeindungen anhören. Die zermürbende Arbeit lässt den jungen Mann trinken, was zu privaten Problemen führt. Nachdem er auch noch von der Vergangenheit seines Mitstreiters Gnielka hört, reicht es ihm und er schmeißt seinen Job bei der Staatsanwaltschaft hin. Gerechtigkeit gibt es nicht, wenn sich jeder sein Leben mit Lügen und Vergessen aufbaut.
Sein neuer Job in der Wirtschaft wirkt nett, aber für seinen Kollegen sind die selektiven Maßnahmen an der Deportationsrampe absolut harmlos gewesen. Quasi natürliche Auslese. Für Radmann ist das zu viel. Er will zurück. Er will die Täter für ihre Verbrechen verurteilt sehen…
Der Film stellt die Vorgeschichte zum Auschwitzprozess von 1963 – 1965 stellenweise fiktiv, stellenweise belegt dar. Damals arbeiteten drei Staatsanwälte zusammen, damit es zur Anklage für diesen Prozess kommen kann.
Für mich als Kind einer Generation, die spätestens im Schulunterricht mit diesem Thema der Aufarbeitung einer Schuldfrage konfrontiert war, ist es im ersten Moment stets unvorstellbar, dass Leute nichts gewusst haben (wollen). Auch im Film sind es die jungen Leute, die mit dem Namen Ausschwitz nichts verbinden können, weil ihnen Wissen dazu fehlt. Ich selbst kenne aber auch die Erzählungen, dass Dinge totgeschwiegen worden bzw. man einfach nicht drüber sprechen wollte. Ich komme aus Dessau. Dort wurde Zyklon B hergestellt und in den Osten geschafft. Damals rühmte man sich als treuer Zulieferer für das Reich und überstützte vaterlandstreu den Führer. Heute distanziert man sich davon. Die Mahnzylinder, die symbolisch an der Brücke nahe der ehemaligen Fabrik angebracht sind, nimmt kaum einer wahr…
Natürlich kann man aus rein menschlicher Sicht nachvollziehen, dass das gesamte Thema Krieg nicht zu schönen Unterhaltungen anregt und das Bedürfnis nach Angenehmem, auch mit dem Risiko des Vergessens, größer als das nach Aufklärung kommender Generationen war. Das war immer so, wird auch immer so bleiben.
Fakt ist aber, dass „Im Labyrinth des Schweigens“ ein durchaus gelungener Film ist, der nicht belehrend den Zeigefinger erhebt und sich auch nicht in einer peinlichen Theatralik verliert. Er lässt erahnen, gegen welche Mauern des Schweigens die drei Staatsanwälte damals gerannt sind und wie mühsam ihrer Ermittlungen waren. Umso bedeutender ist die Tatsache, dass es trotzdem zu diesem Prozess kam. Und das hat Vorbildcharakter: Gerechtigkeit fliegt nicht einfach zu. Man muss sie sich sehr oft hart erkämpfen.