Rachel Moran: Was vom Menschen übrig bleibt

Mit autobiografischen Romanen hab ich mich noch nicht viel auseinandergesetzt. Beim Stöbern für neuen Lesestoff stieß ich auf „Was vom Menschen übrig bleibt“. Rachel Moran wurde vorgestellt als Ex-Prostituierte, die heute als Journalistin arbeitet und sich stark für den Kampf gegen die Ausbeutung und Legalisierung von Prostituierten einsetzt. Der Hintergrund ihrer Aktivität: Als Jugendliche landete sie selbst auf dem Straßenstrich von Dublin. Mit 22 Jahren, nachdem so so ziemlich jeden Bereich der Prostitution erlebt hat, wagte sie den schwierigen Ausstieg und erkämpfte sich ihre Position in der Gesellschaft.

Wer sich in diesem Werk eine Aneinanderreihung von Geschichten über Freier erhofft, sollte die Finger davon lassen. Selbstverständlich erzählt Moran über diverse Episoden ihres Tuns und das ihrer „Schwestern“. Aber sie werden nicht detailliert mit adjektiven erzählerisch aufgewertet. Sie dienen dem Leser eher als Beispiel für die Argumentation, die Moran gerade anführt. Es ist auch keine rührselige Vorlage für einen tollen Hollywoodstreifen, in der das schwierige Thema der Prostitution romantisch verklärt mit Happy End präsentiert ist. Sie arbeitet thematisch einzelne Aspekte der Prostitution ab und flechtet hier ihre eigenen Erfahrungen und Meinungen ein. Sie argumentiert wohl reflektiert – was aber nicht verwunderlich ist, weil die Entstehungszeit des Buches gut zehn Jahre umfasst.

Rachel Moran gelang es sehr gut, ihre Vergangenheit zu beleuchten ohne sich selbst in eine zu bemitleidende Opferrolle zu stoßen. Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, ihre Eltern hatten beide starke, psychische Erkrankungen und das soziale Umfeld wurde von der Mutter bewusst klein gehalten. Als sich der Staat dann einmischte und Rachel in staatliche Obhut kam, besserte sich die Situation auch nicht, denn auch irische Heime bieten keine Nestwärme. Es folgte das Kennenlernen der falschen Männer und so betrat Rachel mit 15 Jahren das erste Mal den Straßenstrich. Für viele ist es vielleicht schwer zu verstehen, aber sie gibt niemandem die Hauptschuld. Nicht ihren Eltern, nicht ihrem damaligen Freund, nicht sich selbst. Es war, wie bei vielen, die Verkettung der Umstände und der beständige Überlebenskampf. Womit soll man als Jugendliche auch Geld verdienen, wenn die staatliche Obhut die Fürsorge nicht übernehmen kann und man keine Ausbildung hat? Ich glaube, dass Moran trotz ihrer Erfahrungen und zugegebener Defizite eine Frau mit einem wahnsinnig starken Charakter hat. Ansonsten wäre sie früher oder später in das Loch des Selbstmitleids und der Selbstaufgabe gefallen, wie es bei vielen anderen leider der Fall ist, die keinen Ausweg sehen.

Für mich selbst nahm ich einiges aus dem Buch mit, was seltsam klingen mag. Zum einen ist es tiefe Dankbarkeit, niemals in die Prostitution abgerutscht zu sein und in einem Elternhaus mit zwei mental gesunden Elternteilen aufzuwachsen, die bis zum heutigen Tag für mich da sind. Sowohl als Heranwachsende als auch als Studentin traf ich zum Glück auch nicht die Sorte falscher Mann, die mich zur Prostitution drängen wollten bzw. die mich generell zu etwas zwingen wollte, was nicht mir und meinen Wünschen entsprach. Dies ist nicht selbstverständlich.

Außerdem regte mich Morans Meinung hinsichtlich des Thema Missbrauchs wirklich zum intensiveren Nachdenken an. Als Außenstehende der Prostitution machte ich mir hier nie wirklich Gedanken. Ja, es gibt Bordelle und den Straßenstrich sowie Escort-Service. Ich kenne auch Kerle, die schon eines der Laufhäuser Hamburgs besuchten, um „nur mal zu gucken“. Natürlich weiß man, dass da keine Frau gerne arbeitet, weil sie es liebt, Sex mit Fremden gegen Bezahlung zu haben. Und genau hier setzt Moran ihre Kritik an. Für sie ist es in keiner Weise nachvollziehbar, wie Menschen von anderen dafür bezahlt werden, um sexuelle Phantasien auszuleben. Auch wenn hier Geld bezahlt wird, beruht die gewünschte Leistungserbringung nie in 100%-igen Einvernehmen. Im Gegenteil. Häufig sei es sogar so, dass die Männer, die für die sexuelle Dienstleistung bezahlen, die von der oder dem Prostituierten gesetzten Grenzen nicht akzeptieren und hier viele Tätigkeiten von Nötigung bis hin zum „tatsächlichen“ Missbrauch realer Alltag ist. Wer hier argumentiert mit „Aber man weiß doch, worauf man sich in der Prostitution einlässt“ hat das Grundproblem nicht verstanden. Es ist immer ein Zwang, der bei der Prostitution vorhanden ist. Immer. Die Gründe sind vielfältig, haben aber meist Geldnot, Zwang durch Dritte (Zuhälter) und/oder Traumata (bsp. frühkindlicher Missbrauch, zerrütete Familienverhältnisse etc.) in der Vergangenheit zur Basis. Von purer Freiwilligkeit, dass einem ungefragt Gegenstände, Finger und sogar Fäuste in Körperöffnungen gestoßen werden, kann hier nicht gesprochen werden. Es passiert aber, es ist Alltag.

Ich weiß, dass es zahlreiche Sexualitäten, Vorlieben und Fetische gibt. Wenn man dies mit anderen erwachsenen Menschen in gegenseitigem Einvernehmen auslebt, ist dies (für mich) vollkommen in Ordnung. Es kann aber nicht in Ordnung sein, dass man diese Handlungen – auch nicht gegen Bezahlung – an Menschen ausübt, die in ihrem Inneren dies gar nicht möchten. Leider ist es aber schwierig, dieses Denken in der Gesellschaft zu etablieren, da Prostituierte in der Hackordnung derart tief stehen, dass sich die Mehrheit nicht zuständig fühlt.

Wie in so vielen Bereichen gehört hier weltweit in den Gesellschaften umgedacht. Ich bezweifle jedoch, dass dies passiert. Dazu ist der Erotikbereich eine zu große und gewinnbringende Marktlandschaft.

 

Das Ende von Eddy – Buchkritik

Frankreich. Die Picardie. Wir sind in einem kleinen Dorf. Eddy wächst mit einigen Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen auf. Der Vater trinkt zu viel, die Mutter schimpft zu viel und eigentlich ist sein Leben seit Generationen vorherbestimmt: geboren werden, zur Schule gehen, Schule verlassen, in der Fabrik arbeiten und ein richtiger Kerl sein, der sich prügelt und säuft.

Aber Eddy ist als Kind schon kein richtiger Junge. Statt auf dem Dorfplatz zu bolzen, würde er lieber tanzen lernen. Er liebt es, seine Schulfreundin zu schminken oder die Kleidung seiner Schwester anzuprobieren. Auch die anderen im Dorf bemerken, dass Eddy zu viel mit den Händen beim Sprechen gestikuliert und auch so oft irgendwie zu zart für einen echten Kerl aus der Normandie ist.

Er gibt sich Mühe, will angepasst sein. Eddy nervt es auch selbst, dass er in der Schule das Opfer ist, dass er in manchen Situationen lieber heulen würde anstatt vor Wut einfach zurückzuschlagen. Aber er grinst möglichen Ärger weg, immer in der Hoffnung, dass die wachsende Agression ihm gegenüber nicht eskaliert. Die Mutter, selbst mit der Gesamtsituation überfordert, erkennt es einfach nicht, wenn ihr Sohn gestresst vor ängstlicher Anspannung aus der Schule kommt. Der Vater, ein echter Kerl, weil er säuft und sich prügelt, ist auch nicht an Eddys Gedanken und Ängste interessiert. Hauptsache er verkneift sich seine Tussiattitüden und dann wird er schon noch ein Mann, wie es alle Männer im Dorf worden. Immerhin beleidigt man auch ihn als Vater, wenn Eddy als Tunte oder Tusse beschimpft wird und das kann er nicht auf sich sitzen lassen.

Somit wächst Eddy mit der Einstellung heran, dass Schwule abartig sind. Ein echter Kerl fickt (Frauen) und wird nicht gefickt. Fertig. Wenn er lieber tanzt und Mädchensachen trägt, ist er ein Freak, ein kranker Spinner. Das ist ekelhaft. Daher warnt er auch seinen kleinen Bruder, dass er sich bloß in Mädchen zu verlieben habe. Schwule sind abartig. Punkt.

Nun kommt es jedoch im Holzschuppen, in dem er sich mit seinem älteren Cousin und ein paar anderen Jungs regelmäßig zum Zeitvertreib nach der Schule trifft, zu einer Situation, bei der die Mutter sie entdeckt und schockiert ist. Am Ende ist es Eddy, der mehr als nur bespuckt wird, weil die drei anderen Beteiligten ihn als Sündenbock benutzen. Eddy, die Tunte, schlug das Spiel vor. Eddy, die Schwuchtel, wollte es so. Eddy, die Tussi, ist der Abartige. Leider erkennen die Bewohner des Dorfes in ihrer Beschränktheit nicht, dass es vier Beteiligte gab und nicht nur Eddy.

Eddy sieht seine Chance auf Leben in Frieden nur, wenn er sich zusammenreißt. Er kann ein Kerl sein. Mit einer Freundin. Das wird schon. Er zwingt sich, sich selbst zu beweisen, dass er wirklich mit Haut und Haaren ganz normal ist und Frauen begehren kann…

Das alles klingt nach der unaufgeklärten Schwulenhetze vergangener Zeiten. Édouard Louis, dessen eigentlicher Name Eddy Bellegeule* ist und der in Das Ende von Eddy seine Kindheit ansatzweise verarbeitet, wurde erst 1992 geboren. Er erlebte die Schmähungen, das Mobbing, die Beleidigungen und die Gewalt am eigenen Leibe. Sein endgültiges Entkommen war die Flucht nach Amien und zuletzt Paris, wo er nun Student der Soziologie ist.

Ich stieß in der Literaturecke des Spiegels online auf diesen Roman. Das Thema fand ich ganz interessant und erste Kritiken schwärmten vor allem von der gewaltigen Sprache des Autors. An dieser Stelle bin ich etwas ratlos, weil mir meine Fassung als deutsche Übersetzung vorliegt. Entweder bin ich vollkommen abgestumpft, oder die Übersetzung litt einfach – was Übersetzungen so an sich haben. Meine Französischkenntnisse reichen leider nicht aus, um mir das Original zu Gemüte zu führen und hier vielleicht den auffallenden Sprachgebrauch des Autors zu bemerken. In der deutschen Fassung empfinde ich die Sprache nicht wirklich aggressiv oder gewaltig. Im Gegenteil. Es ist eher sehr einfach gehalten, beinahe primitiv, wodurch die Einfachheit der Dorfbewohner gut unterstrichen wird. Von Sprachgewalt würde ich da nicht sprechen, eher von der Wahl des passenden Sprachstils.

Wenn ich von Einfachheit spreche, meine ich dies auch nicht abwertend. Es wird aber nicht nur durch den Umgang, sondern auch durch die geschilderten Weltanschauungen der Bewohner klar, dass hier komplett andere Werte wichtig sind und der Bildungsstand niedriger ist. Die Frauen sind beispielsweise dafür verantwortlich, wenn die Männer Mist bauen. Sie könnten ja liebevoller sein. Wären die Männer nicht so triebgesteuert und würden die Mädels schwängern, könnten die ja die Schule beenden und was anständiges Lernen. Eier haben ist auch ganz wichtig, um sich zu behaupten. Das zählt für Männer und für Frauen.

Eddy passt mit seiner Art nicht in dieses klassische Gefüge und das merken auch seine Eltern. Die Mutter ahnt sicherlich durch das weiche Verhalten ihres Eddys, dass dieser kein Schlägertyp wird. Der Vater lehnt auch alles kategorisch ab, was nicht seinem einfachen Weltbild passt: Schule und Bildung braucht keiner, Ärzte wollen nur Geld und jeder Angestellte, der mehr Gehalt hat und eine Ausbildung genoss, ist ein arrogantes Arschloch. Der einfache, kleine Mann muss einfach selbst gucken, wie er mit dem Arsch an die Wand kommt. Für Eddy ist es daher schwierig, fernab dieser engen Weltsicht des Dorfes in der Stadt zurechtzukommen, zumal er in der Schule recht passable Noten bekommt und er wirklich etwas aus seinem Leben machen könnte. Er spürt, dass er anders ist, dass er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen kann, aber er kennt auch keine Alternativen.

Das Ende von Eddy beweist an einem recht aktuellen Beispiel, wie wichtig Aufklärung und Erfahrung für das Erschaffen von Weltbildern und Meinungen ist. Eindrücke prägen und je vielfältiger diese sind, desto geringer ist doch auch die Angst vor Unbekanntem und Neuem. Anderssein ist nichts, was es zu verurteilen gilt, sondern kann eine wahre Bereicherung sein.

Das Buch las sich recht zügig weg, was auch durch den einfachen Schreibtil begünstigt wurde. Wenn Eddy in der Schule gemobbt wurde, körperlich angegriffen und dadurch auch sein Nervenkostüm stark strapaziert war, fühlte ich mit, weil es trotz der Einfachheit doch anschaulich beschrieben ist. So war auch mein Ekel vor den Sachen, die ihm andere Schüler antaten, recht groß. Das ständige Ankämpfen an das Anderssein, dass von ihm innen heraus kommt, war nicht nur zu lesen, sondern zu spüren. Ich sah in den Kopf des heranwachsenden Eddys, verstand seine Erklärungen, warum er dann einfach die Hände den den Taschen ließ, wenn er sprach oder seine Stimme verstellte. Er erschuf einen zweiten Eddy, einen angepassteren – damit endlich die Hetze im Dorf aufhört und auch hier verstand ich als Leser, warum er nicht ankämpfte oder gar abhaute. Bevor Eddy die Schule und somit auch seinen Lebensraum wechselte, gab es für ihn in seiner beschränkten Weltsicht einfach keine andere Lösung als angepasst auf das Beste hoffen.

Daher Hut ab vor jedem, der den Schritt des Outings geht und sich dadurch an einen Pranger stellt, den es nicht geben müsste, denn die Schikanen für Homosexuelle in unserem Zeitalter sind wirklich ein wahres Armutszeugnis für die ach so aufgeklärte Menschheit.

*Bellegeule heißt übersetzt in etwa Schönmaul (belle = schön, geule = Maul, Fresse)

Der Schatten des Windes oder wie ich seit langem mal wieder nicht mit einem Buch fertig werden wollte

Der Schatten des Windes. Carlos Ruiz Zafón. Gekauft habe ich es eher zufällig, weil es mir im Buchhandel bei der Neuversorgung in die Hände fiel. Der Name weckte bei mir irgendwie eine Erinnerung, dass ich da mal was lesen wollte. Das war aber eigentlich Marina. Der Inhalt auf der Rückseite las sich jedoch auch ganz gut, also nahm ich es neben Gone Girl und unserem ersten New York Reiseführer einfach mit.

Jedes einzelne Buch hat eine Seele. Die Seele dessen, der es geschrieben hat, und die Seelen derer, die es gelesen und erlebt und von ihm geträumt haben.

Und genau wegen solcher Buchzitate liebe ich manche Bücher mehr als andere und ich bereue den Kauf in keiner Weise. Im Gegenteil. Ich bin irgendwie traurig, dass es vorbei ist und kann nicht einmal die richtigen Worte finden, warum es so ist.

Aber zunächst zur Handlung…

1945. Barcelona. Der noch junge Daniel Sempere wird von seinem Vater, der eine Buchhandlung besitzt, an einen wahrlich mysteriösen Ort geführt: Der Friedhof der vergessenen Bücher. Daniel soll sich hier ein Buch auswählen, dass er von nun an vor dem entgültigen Vergessenwerden beschützen soll. Es ist Der Schatten des Windes eines Julián Carax. Er liest das Buch und möchte am Ende mehr über den Autor erfahren, doch hier startet ein Mysterium, das auch Daniels Leben zukünftig beeinflussen wird.

Die Jahre vergehen und Daniel setzt jedes einzelne Puzzlestein, das er über Julián Carax in Erfahrung bringen kann, mühsam zusammen und stößt dabei auch auf so manche Sackgasse. Ihm begegnen nicht nur geheimnissvolle Verfolger, sondern auch einige gefährliche Personen aus der Vergangenheit von Carax, die dieses Kapitel gerne vollständig löschen möchten. Am Ende offenbart sich ihm die Geschichte um den mysteriösen Autor und Daniel muss selbst aufpassen, dass sein Leben nicht noch mehr Gemeinsamkeiten mit Carax haben wird…

 

Was mich an diesem Buch so verzauberte war nicht die spannende Suche Daniels nach Carax, sondern die gesamte Komposition. Ich durfte Daniel beim Heranwachsen begleiten, mit ihm mitfühlen, als sein Herz das erste Mal gebrochen wurde. Auch seine sich entwickelnde Freundschaft zum ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Fermín, der sich von nichts und niemandem unterkriegen lässt, ließ mich so manches Mal schmunzeln. Legendär der Besuch im Pflegeheim für Senioren und das Versprechen Daniels  an einen alten Mann. Aber auch Fermíns Weisheiten lassen ihn so wahnsinnig sympathisch erscheinen.

Wirklich die Frauen verstehen tut keiner, nicht einmal Freud, nicht einmal sie selber, aber das ist wie bei der Elektrizität, man braucht nicht zu wissen, wie sie funktioniert, um eine gewischt zu kriegen.

Wahrscheinlich ist Der Schatten des Windes wie viele andere Erfolgshits nicht jedermanns Sache. Ich las in anderen Kritiken häufig auch, die Handlung sei zu flach und vorhersehbar und erinnere an Groschenromane. Dazu kann ich nix sagen, weil ich solche Druckerzeugnisse nicht lese und mir der Vergleich fehlt. Zu flach fand ich die Handlung in keiner Weise. Voraussehbar möchte ich so auch nicht unterschreiben, aber vielleicht ist mein Weltbild noch zu positiv, anstatt überall Familienskandale zu wittern.

Zafón nahm mich jedenfalls mit diesem Werk auf eine angenehme Reise in ein Barcelona, in dem spannende Charaktere gefühlt nur darauf warteten, einem ihre Geschichte zu erzählen. Und genau so hat sich für mich dieses Buch zu einer wunderbaren Erzählung verwoben. Es wird von mir definitiv wieder gelesen werden.

Es sind bereits zwei Fortsetzungsromane erschienen. Hier hadere ich noch mit mir, ob ich sie lesen will und soll. Einerseits möchte ich den Zauber des Gelesenen nicht verlieren, aber die Neugier, ob es so vielleicht weitergehen könnte, ist auch recht groß. Wahrscheinlich werde ich Barcelona in 2-3 Büchern wieder besuchen.

Buchtipp: Gone Girl

Im vergangenen Herbst/Winter wollte ich eigentlich ins Kino. Gone Girl. Ich finde Ben Affleck doof, aber der Trailer und die Story weckten mein Interesse. Wie das so ist, wenn der Erwachsenenalltag einen einfing: Man kam nicht dazu. Aber zum Glück handelt es sich hier um eine Romanverfilmung und wenn ich was auf dem Weg zur Arbeit habe, dann ist es Zeit zum Lesen.

Zur Handlung

Wir lernen Nick und Amy kennen. Nick zunächst direkt in der Gegegwart. Amy nur über Tagebuchnotizen aus der Vergangenheit.

Nick und Amy sind anfang 30, erfolgreich und leben in New York. Er ist Journalist, sie hat Psychologie studiert und erstellt Psychologietests. Doch dann verlieren beide ihre Jobs. Durch den Umzug aufs Land in Missouri, wo Nick herstammt, gerät das offenbar eigentlich glückliche Zusammenleben ins Wanken.

Am fünften Hochzeitstag verschwindet Amy dann spurlos. Hauptverdächtiger ist Nick und er durchläuft die Hölle der Vorverurteilung. Jeder denkt, er hätte Amy getötet, um an ihr Vermögen zu kommen.

Doch dann wandelt sich die Perspektive im zweiten Teil des Buches.

Die Figuren

Beide könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein und sind sich auf dem zweiten Blick doch so ähnlich.

Nick ist ein Scheidungskind, dessen Vater vor der Trennung seine Frau nur als billige Hausfrau sah und Frauen, die ihm irgendwie in die Quere kamen, sind Schlampen. Nick arbeitete bereits als Teenager und landet letztendlich als erfolgreicher Journalist in New York. Dort begegnet er eines Tages Amy.

Amy ist das Kind zweier sich liebenden Menschen. Beide sind Psychologen und erschaffen die erfolgreiche Kinderbuchreihe Amazing Amy, in der es um ein heranwachsendes Mädchen geht, das nahezu perfekt ist. Auch Amy, die sich nicht immer ganz so vorbildlich wie ihr von den Eltern erschaffenes Alter Ego benimmt, absolviert einen Psychologieabschluss und erstellt für Zeitschriften Psychologietests.

Man lernt beide nur durch die eigene Perspektive und die Betrachtung durch den Partner kennen. Dadurch entsteht eine Ambivalenz, die den Leser ratlos macht. Wer sagt die Wahrheit? Wem vertraut man? Was ist nun wahr? Was gelogen?

Die Autorin

Gillian Flynn ist eine US-amerikanische Autorin, die Journalismus studierte. Auch sie war wie Nick sehr erfolgreich und wurde nach vielen Jahren plötzlich gekündigt. Sie wechselte zum Fach der Romanautoren und veröffentlichte vor Gone Girl (2012) bereits Sharp Objects (dt.: Cry Baby, 2006) und Dark Places (dt.: Finstere Orte, 2009).

Über Gone Girl sagte sie, dass sie sich gerne dem Thema Ehe mit ihren Geheimnissen und Lügen widmen wollte. Es sollte etwas in der Art sie sagt und er sagt sein. Der Leser soll rätseln, wem er glauben kann – was ihr mit Gone Girl definitiv gelungen ist.

Aber auch die Rolle der Medien wollte sie klar beleuchten. Als Ehemann ist Nick Hauptverdächtiger und wird vorverurteilt, bevor es überhaupt zu einer Gerichtsverhandlung kam. Er wird als Verdächtiger vorgeführt, die Masse sieht in ihm den Mörder der eigenen Frau, der amazing Amy. Gegen öffentlich zur Schau gestellte Meinung anzukämpfen, ist so gut wie unmöglich.

Mein Fazit

Trotz 584 Seiten las ich es recht zügig durch. Ich war wirklich gefesselt, wie es mit Nick weitergeht und wie Amy im ersten Teil sich in ihren Tagebucheinträgen die Welt schön redet. Da ich mich im Vorfeld bereits mit der Handlung beschäftigte, wusste ich, was mich in der Handlung noch erwartet und war quasi auf der Hut.

Noch immer bin ich neugierig auf den Film und hoffe, dass ich den auch bald sehen werde. Romanverfilmungen sind ja doch häufig etwas anders als das Buch. Die Umsetzung hier interessiert mich sehr, zumal die Charaktere doch sehr spannend sind.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

Jonathan Franzen – Die Korrekturen

Ich bin bereits einige Zeit im Besitz des Buches und bekam es liebenswerter Weise von Antje (lesewiese.net). Da stand das Teil nun im Bücherregal und nachdem ich meine zwei gerade erstandenen Werke beendete, wagte ich mich heran. Bereits jetzt möchte ich anmerken, dass ich das Buch erst im dritten Anlauf zu Ende las und dazwischen auch mal 2-3 Wochen Pause war, weil ich keine Lust hatte, den Wälzer mit herumzuschleppen und daheim einfach keine Leselust entwickeln konnte. Interessanterweise flutschte das Lesen in den letzten Tagen geradezu und ich verpasste das ein oder andere Mal meinen eigentlichen Aussteigepunkt auf dem Weg zur und von der Arbeit. Vielleicht liegt es an der Jahreszeit, vielleicht auch daran, dass die dritte Lesephase in einem Teil startete, wo die Handlung für mich endlich mal interessant wurde. Erklären kann ich es nicht, aber es war so.

Aber nun zum Buch:

Familie Lambert wohnt in St. Jude, im mittleren Westen Amerikas. Enid und Alfred, ein älteres Ehepaar, haben drei erwachsene Kinder, von denen jedes einzelne eigene Probleme zu bewältigen hat. Um so stärker sind sie genervt, dass ihre Mutter Enid die gesamte Familie gerne noch einmal an einem Weihnachtsfest im elterlichen Haus beisammen haben möchte, da es in dem Jahr vielleicht die letzte Chance ist: Alfreds gesundheitliche Verfassung lässt besorgniserregend stark nach.

In jeweils einzelnen Handlungssträngen lernt der Leser die drei Kinder kennen. Gary, der älteste Sohn, ist ein erfolgreicher Banker, verheiratet und hat ebenfalls drei Kinder. Auf dem ersten Blick wirkt alles perfekt, doch der Leser bemerkt schnell die depressiven Schübe bei Gary und es ist nicht immer deutlich zu erkennen, ob seine Ehefrau Caroline wirklich manipulativ ist und die drei Söhne gegen den Vater aufhetzt oder ob dies nur die Fehldeutungen von Garys Wahrnehmung ist.

Chip, das zweite Kind von Enid und Alfred, war eigentlich Literaturprofessor, ließ sich aber auf eine Affaire mit einer Studentin ein. Der zweite Karriereversuch als Drehbuchautor in New York scheitert kläglich. Wie der Zufall es will, landet er letztendlich in kriminellen Geschäften in Litauen.

Denise, das einzige Mädchen der drei Lambert-Kinder, ist Küchenchefin eines renommierten Restaurants in Philadelphia. Da sie aber nicht nur mit dem Inhaber des Restaurantbesitzers schläft, sondern auch eine Affaire mit dessen Frau hat, verliert sie ihren Job.

Wie die Handlungsstränge es so wollen, führen sie pünktlich zum Weihnachtsfest zusammen nach St. Jude.

Wie oben erwähnt, brauchte ich etwas länger, um mit dem Buch warm zu werden. Es lag vielleicht auch daran, dass wir direkt mit Chip starteten und ich die Handlung um ihn herum nicht so spannend/unterhaltsam/interessant fand. Es ist schwierig, es zu beschreiben. Es packte mich einfach nicht.

Da ich es aber gerne dabei belassen möchte, dass ich nur ein zwei Bücher bzw. Werke nie zu Ende las, gab ich Die Korrekturen noch eine Chance und nun die finale. Bis auf Chip mochte ich die Charaktere, weil Franzen sie überaus menschlich mit allen Fehlern erschuf. Der mürrische Alfred, den man rückblickend auch als Familienvater erlebt und sich erschreckt, wie steif und konservativ Menschen ihr Leben lang sein können. Enid, deren Erfüllung es ist, dem Wort Familie einzuhauchen, auch wenn sie tief im inneren weiß, dass ihr eigenes (Ehe-)Leben wesentlich schöner hätte sein können. Oder Gary, dessen Gedankengänge genau so gezeichnet sind, dass man sich als Leser selber fragen muss: „Überspitzt er die Situation oder verbündet sich seine Frau Caroline wirklich mit ihren Kindern gegen ihn?“

Franzen gelang es, die Fragilität von menschlichen Verbindungen anhand der Familie Lambert darzustellen. Wie kostbar Beziehungen sind und wie schnell sie durch Nachlässigkeit und Fehltretten langsam kaputt.

Ich für meinen Teil werde es nun ersteinmal gewiss ein paar Jahre im Regal stehen habe, bevor ich es erneut lese. Aber eins weiß ich jetzt schon: Aufgrund der vielen Details werde ich Familie Lambert wahrscheinlich neu kennenlernen und wer weiß, vielleicht werde ich dann auch mit Chip warm.

 

 

 

Was tun, wenn das Kind nicht mehr in die Schule will?

Zwingen? Oder einfach kapitulieren und den Sohn oder die Tochter einfach so gewähren lassen? David Gilmour stand vor genau diesem Problem: Sein Sohn im besten Teeniealter kam mit der Schule einfach nicht mehr zurecht. Gilmour suchte einen sehr ungewöhnlichen Kompromiss.

Zu Beginn des Buches ist Jesse 16 Jahre alt. Hausaufgaben belasten ihn nicht, er macht sie einfach nicht. Schule ist für ihn eine Last. Sein Vater hadert mit sich. Soll man dem Sohn die Erlaubnis erteilen, die Schule ohne Abschluss zu verlassen? Chancenlosigkeit, Abrutschen und Kriminalität sind ja dadurch quasi vorprogrammiert. Oder soll man ihn zwingen und damit das Risiko eingehen, dass das eigene Kind sich von einem distanziert und trotzdem abrutscht? Gemeinsam mit Jesses Mutter, Davids Exfrau, erlauben sie Jesse, die verhasste Schule abzubrechen. Eine außergewöhnliche Bedingung ist jedoch daran geknüpft: Jesse muss jede Woche drei Filme gemeinsam mit seinem Vater schauen. Nicht zur Unterhaltung, sondern um dadurch für das Leben zu lernen. Erscheint Jesse nicht zu den Terminen oder rutscht trotzdem ab und nimmt Drogen, ist das Projekt beendet und er muss zurück zur Schule.

Natürlich geht es David Gilmour hierbei nicht darum, stumpf Filme zu sehen. Er bereitet richtige Themenwochen vor und erläutert Jesse, warum es heute ausgerechnet dieser Film ist. Mit der Zeit entwickelt auch Jesse nicht nur Interesse, sondern auch Beobachtungsgabe und analysiert nach und nach mehr – sehr zur Freude seines Vaters. Durch die gemeinsame Zeit lernt David, der getrennt von Jesses Mama lebt, seinen Sohn näher kennen und erlebt die durchaus komplexe Gefühlswelt eines Heranwachsenden hautnah.

Als ich mir das Buch kaufte, dachte ich im Vorfeld, ich würde hier neben einem neuen Buch für den Arbeitsweg noch einige Filmtipps und vielleicht etwas Hintergrundwissen dazugewinnen. Diesbezüglich wurde ich enttäuscht, aber wahrscheinlich waren meine Erwartungen einfach zu hoch. Natürlich gibt es hier und da ein paar Infos im Text, aber die Mehrheit der Filme, die im Buch erwähnt werden, interessierten mich persönlich (!) überhaupt nicht.

Als lesenswert stufe ich es dennoch ein, weil die Beziehung zwischen David Gilmour und Jesse als Vater und Sohn etwas ganz besonderes ist. Egal ob Männergespräche bezüglich Frauen und Liebeskummer oder Existenz- und Versagensängste. Die Ehrlichkeit und Vertrautheit, die der Leser hier erfährt, ist vorbildlich und es wäre jedem Kind zu wünschen, sich zumindest einem Elternteil so öffnen zu können.

 

Der Kindle und ich

Seitdem ich nicht mehr als Studentin zwischen Hörsaal und der Kasse im Baumarkt pendle, sondern von der heimischen Gemütlichkeit ins Büro, lese ich endlich wieder mehr uniunabhängige Texte. Dank der Literatur kann ich nervige Szenerien im ÖPNV besser ausblenden. Super Sache. Und um dann auch noch mein zweites Zuhause, die Frauenhandtasche, zu entlasten, könnte ich meinen Kindle nutzen. Könnte…

Seit Weihnachten 2011 gehöre ich auch zum damals gefühlt doch recht erlauchten Kreis der eBook-Reader-Besitzer. Jedenfalls fühlte ich das so. In Leipzig. In der Straßenbahn, wenn ich neben anderen sitzen musste. Diese starrten neugierig und rutschten zu sehr in meinen Sitzbereich. Dabei ist mein Eigentum die einfachste Version der Kindle-Reihe ohne großen zusätzlichen Schnickschnack. Das ist vollkommen ok. Bis auf die Tatsache, dass die Tastaturnutzung mich manchmal wirklich etwas nervt – aber ich will mit dem Kindle eigentlich auch keine Romane verfassen.

Ich bekam ihn, weil er auf meinem Amazon-Wunschzettel stand. Mein Bruder dachte, er macht mir eine Freude. Hat er auch. Wirklich. Meine Neugier auf so lustige Gadgets wurde gestillt. Kleine Schwester mit neuem Spielzeug glücklich. Fertig.

Und damals war Amazon auch so nett und hatte Tagesdeals während der Feiertage. Brauchbarer Lesestoff für umme. Hurray \o/ Dann gleich noch ein paar gratis Klassiker geladen. Ab ging die erste starke Lesephase.

Dann lief einige Monate nix zwischen uns. Aber das war nicht schlimm. Die bessere Hälfte hatte sich in einige Werke von Jules Verne verguckt und wollte sie lesen. Also nutzte er ihn. Dann kam eine große Pause von einigen Monden…

Wiederbelebt wurde er dann während meines ersten Praktikums. Pendeln zwischen Mainz und Frankfurt. Reine Fahrtzeit: 40 Minuten. Wer den RMV kennt, weiß, dass es länger dauern kann. Ich arbeitete meine damals heruntergeladenen Inhalte ab. Bram Stokers Dracula in der Originalfassung. Gratis-Angebot der Autoren von Generation Doof. Heilige Scheiße amüsierte mich wider Erwarten mehr, als ich dachte. Einige kleinere Romane und Krimis bzw. Thriller. Versuch an Jules Verne, aber der verstärkte nur meine Müdigkeit. (Sorry) Nachdem ich hier alles abgegrast habe, was mich interessierte, pausierte mein Kindle wieder. Hauptgrund: Ich wollte die Bände von Das Lied von Eis und Feuer zum Anfassen im Bücherregal stehen haben – nach dem Lesen. 

Und genau das ist sicherlich mein Hauptproblem, warum ich den Kindle nicht mehr nutze. Ich möchte ein Buch einfach anfassen, es fühlen, darin Blättern, sein Gewicht in den Handflächen spüren. Außerdem mag ich das warme Gefühl von Räumen, in denen volle Bücherregale stehen. Das hat seinen ganz eigenen Charme und spendet mir – warum auch immer – Trost. Bücher verzaubern mich in ihrer Präsenz mit einem Gefühl der Gemütlichkeit und Ruhe. Ich will einfach, dass Bücher bei mir einziehen und sichtbar ihren Flair versprühen. Basta.

Das hat der Kindle bisher irgendwie noch nicht geschafft – auch wenn er weniger Platz in meiner Tasche einnimmt, meine Wirbelsäule entsprechend entlastet und generell bandscheibenfreundlicher bei Umzügen ist. So eine Kindle-Bücherrei wiegt ja nix. Und wenn man erst an die Einsparung an Papier denkt…

Ich denke, ich werde zukünftig ein Leseverhältnis von 3:1 haben. Dabei gewinnen gedruckte Bücher. Aber hier und da stoße ich wahrscheinlich doch spontan auf ein eBook, dass ich unbedingt schnell parat haben möchte, weil eine Zugfahrt ansteht und mir niemand gewährleisten kann, dass der Presseshop am Bahnhof das Buch vorrätig hat.

Letztendlich liegt es ja nicht am Kindle, sondern an mir, dass unsere Beziehung leicht gestört ist. Seine Lesbarkeit ist klasse, die Bedienung einfach, die Akkulaufzeit unschlagbar. Nur ich steh halt auf etwas mehr Gefühl.

Die Vorgeschichte von Game of Thrones?!

Vom Frühjahr bis zum Sommer las ich bereits die zehn Bände der Fantasy-Romanreihe „Das Lied von Eis und Feuer“ und habe sie buchstäblich verschlungen. Unterschiedlichste Charaktere, die mit- und gegeneinander Kämpfen. Figuren, die man ab dem ersten Satz hasst, andere, die man liebt und schmerzlich vermisst, wenn sie in einem Buch gar nicht auftauchen. Doch mehr als zehn Bände gibt es derzeitig nicht. George R.R. Martin schreibt an der Fortsetzung. Für mich und viele Neugierige Leser heißt das: WARTEN.

Selbstverständlich wissen Verlage, wie sie Geld aus dem aktuellen Hype gewinnen können und so erschien im September „Der Heckenritter von Westeros: Das Urteil der Sieben“ im Penhaligon Verlag.

Der Heckenritter von Westeros - Vorgeschichte SiegelLaut Aufklebern und auch einiger Kritiken in diversen Medien soll es sich hierbei um die Vorgeschichte zu „Das Lied von Eis und Feuer“ handeln. Nun ja, vielleicht habe ich selbst eine eigene Auffassung von dem Begriff Vorgeschichte, aber für mich sind die Kurzgeschichten um den Heckenritter Dunk keine Darstellung der Ereignisse vor dem (Intrigen-)Spiel um den Eisernen Thron.

Die drei Heckenritter-Erzählungen siedelte George R.R. Martin auch wieder in Westeros an – doch sind es gut 100 Jahre vor der Handlung des Liedes von Eis und Feuer. Wer mit den Romanen vertraut ist, wird einige Familiennamen und Orte wiedererkennen. Das war es dann aber auch schon.

Doch worum geht es denn dann nun im Buch bzw. in den drei Kurzgeschichten?

Der Heckenritter von Westeros: Das Urteil der Sieben

Die Geschichte beginnt mit dem Tod von Ser Arlan von Hellerbaum. Dieser Ritter nahm das Waisenkind Dunk  aus dem Flohloch in Königsmund  in seinen Diensten als Knappen auf und bildete ihn – trotz seiner geringen Möglichkeiten- aus. Kurz bevor der mittlerweile alte Ser Arlan an seiner schweren Erkältung stirbt, schlägt er seinen Knappen Dunk zum Ritter.

Dunk nennt sich von nun an Ser Duncan der Große und hofft, vom Heckenritter zu einem angesehenen Ritter aufsteigen zu können. Also macht er sich auf den Weg zum ersten Turnier und begegnet einem kahlköpfigen kleinen Jungen. Ei, so der Spitzname des Jungen, will unbedingt Dunks Knappe werden. Ohne auch nur eine leise Ahnung zu haben, wer Ei wirklich ist, willigt Dunk ein und gemeinsam bereiten sie sich auf das erste Turnier vor und das leicht abenteuerliche Leben eines Heckenritters in Westeros beginnt.

Bereits in der ersten Kurzgeschichte lernt Dunk, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick wirkt. Ei, sein Knappe, ist nicht der Sohn der Gastwirtin, wie eigentlich vermutet. Und auch die stets gelobte Ritterlichkeit und Tugend scheint vielen Rittern abhandengekommen zu sein. Die Welt der Lords ist ein Geflecht aus Machtgier und Intrigen.

Wie passt Dunk mit seinem Ehrgefühl in die Ritterwelt? „Dunk der Dummkopf. Blöd wie eine Burgmauer“, pflegte Ser Arlan stets zu sagen. Feinde erscheinen wie Freunde, Freunde wie Feinde. Oft zweifelt Dunk, ob er den richtigen Weg einschlug. Zu wenig Ahnung hat er vom Hofleben und den Angelegenheiten von Rittern und edlen Herrn. Und trotzdem reizen ihn die Abenteuer und die Verteidigung der Ehre.

Mein Fazit

Ich habe den Heckenritter nicht verschlungen. Ich ließ mir Zeit. Das lag primär daran, dass ich nicht so schnell den Faden verlieren wollte, wenn es wieder um die Machenschaften einzelner Häuser geht. Insbesondere die Targaryen werden hier etwas  genauer beleuchtet und einige Vornamen ähneln sich doch sehr stark. Somit wäre ein Familienstammbaum gar nicht so übel, um es leichter nachvollziehen zu können, wer denn nun von wem der Bruder ist.

Wer mit dem Heckenritter in die Welt von Westeros starten will, kann damit ruhig anfangen. Dunk und sein Knappe Ei sind sympathische Charaktere, die ich auf Anhieb in mein Literaturherz schloss. Dunk, weil er so nachdenklich, bodenständig und ehrlich ist. Ei, weil er so wunderbar vorlaut ist und ich den Schalk in seinen Augen blitzen sehe, wenn ich seine Reaktionen nur lese. Wer es weglässt, verpasst aber auch nichts, was als „Hintergrundwissen“ für die Eis und Feuer – Romane wichtig wäre.

Die Gewaltigkeit der geschaffenen Bilder inklusiver aller Intrigen, Personen und Orten, die man aus Eis und Feuer kennt,  ist beim Heckenritter schon wegen der Form einer Kurzgeschichte nicht im Ausmaß der Romanreihe möglich. Aber es war ein angenehmer, kurzweiliger „Lückenfüller“ für die Wartezeit auf einen weiteren Roman von George R.R. Martin.

Meine Größte Kritik gilt dem Verlag selbst. Wenn ich mir den Buchrücken eines Buches durchlese, möchte ich dort Kritiken oder Worte zu dem Werk lesen, das ich gerade in den Händen halte und nicht die Pressestimmen für die Romanreihe.

Der Heckenritter von Westeros - Buchrücken

Aber bitte mit Sahne

Nun ja, beim Stöbern auf Amazon stieß ich auf eine Parodie. Verarscht wird Das Lied von Eis und Feuer von George R. R. Martin, das ich hier bereits erwähnte (ohne zu spoilern).

Kritiken sind nicht ganz so gut, aber vielleicht hat ja jemand Interesse, es zu lesen und mir zu berichten, wie es denn so war. Mich überzeugte der zugängliche Inhalt nicht wirklich.

Das Lied von Eis und Schlagsahne – auf Amazon erhältlich.

 

Buchreihe

Typische Mädchenliteratur in Form von Fortsetzungsromanen à la Hanni und Nanni und der Trotzkopf verweigerte ich bereits in jungen Jahren. Daher las ich bisher nur sehr wenige Romanreihen in meinem Leben. Die einzigen, an die ich mich wirklich bewusst erinnere, sind die Harry Potter Bücher und die fantastischen Geschichten rund um den Zauberer der Smaragdenstadt.

Nun kam es aber, dass mir die US-Fernsehserie namens Game of Thrones wärmstens ans Herz gelegt wurde. Da ich als ordentlicher Rundfunkgebührenzahler stets am TV-Programm irgendetwas auszusetzen habe, schob ich DVD 1 rein und bügelte parallel Diensthemden und Blusen. Ich wünschte, der Wäscheberg hätte nie ein Ende gefunden und es hätte mehr Episoden gegeben. So kam es, dass ich Staffel 1 innerhalb kürzester Zeit sah. Nur einmal schlafen war drin. Die Neugier, wie es wohl weitergehen wird, war unerträglich. Staffel 2 kam damals erst noch heraus, die Game of Thrones – Nacht eines eigentlich in meinen Augen sehr niveaulosen anstrengenden Senders verpasste ich. Aber: Es gibt zum Glück Bücher, die als Vorlage für die Serie dienten. Das sagte jedenfalls meine bessere Hälfte. Und so zogen wir los in die Buchhandlung des Vertrauens.

 George R. R. Martin – Das Lied von Eis und Feuer

Ich war zunächst ehrlich gesagt erschrocken. Zehn Bände starrten mich an. Alle 500-700 Seiten stark. Dabei wollte ich doch nur Lektüre für meine Fahrten im ÖPNV und mir keine komplette Bibliothek in die Handtasche stopfen. Also kauften wir lediglich Band 1 – Die Herren von Winterfell. Immer langsam, nachher mag man den Stil des Autoren gar nicht. Dann hat man noch neun weitere Bände, die sinnlos im Regal einstauben und einen bei jedem Umzug daran erinnern, welch Geldverschwendung der Kauf war. Doch diese Angst blieb (bisher) unberechtigt.

Band 1 bis Band 4 las ich ganz entspannt. Dank der Verfilmung als Serie wusste ich, was geschehen sollte. Hier und da gibt es ein paar kleine Details, die nicht ganz identisch mit der Vorlage sind. Solche Abweichungen von der Literatur sind jedoch Gang und Gebe. Da wird es nur spannend, wie weit in kommenden Staffeln die Geschichte der Serie von der Handlung im Buch abweicht.

Ab Band 5 verschlang ich förmlich die Bücher. Ich war ein bisschen dankbar, dass mein Arbeitsweg recht lang ist war. Ich kam pro Arbeitstag auf gut 90 Minuten reine Lesezeit und wollte trotzdem stets wissen, wie es denn nun weiter geht. Wann erreicht Arya Stark ihre Familie? Wie ekelhaft wird Joffrey ‚Arschgesicht‘ Baratheon noch? Wie entwickelt sich die Rolle von Jon Schnee weiter? Was passiert mit Sansa? Wann erobert Daenerys Targaryen mit ihren Drachen den Thron? Fragen über Fragen…

Derzeitig bin ich in Band 8 und hätte am liebsten den ganzen Tag zum Lesen. Nebenfiguren werden nun mehr beleuchtet, manche verschwinden einfach um (wahrscheinlich) später wieder überraschend irgendwo aufzutauchen. Ich bin nach wie vor gefesselt. Vor allem, weil eigentlich klare Begebenheiten, die für den Leser zunächst offensichtlich auf der Hand lagen, mit einem Mal ganz anders geklärt werden. Aber ich will nicht spoilern…

Mit jedem Kapitel taucht man gefühlt tiefer in das Geschehen in den Königslanden. Charaktere kommen und gehen. Der Autor George R. R. Martin erschuf dadurch ein so vielschichtiges Beziehungsgeflecht mit den unterschiedlichsten Charakteren, die sich oft derart entwickeln, dass man stellenweise stutzig wird und sich denkt ‚Hö? Was ist denn mit dem los?‘. Ich persönlich mag es sehr, auch wenn es manchmal unübersichtlich wird, wer nun mit wem was zu tun hat und welches Haus ein anderes unterstützt.

Aktuell ist kein Ende der Geschichte in Sicht. Im Internet liest man auch genau deswegen immer häufiger Kritik. Der Vorwurf wird laut, dass die Saga rund um das Lied von Eis und Feuer als Kassenschlager vollkommen ausgeschlachtet wird und der Autor und die Verlage sich am Hype bereichern. Ich weiß nicht, ob der Autor gewisse Pflichtauflagen erfüllen muss und sich dadurch die Geschichte streckt. Ob die letzten Bände der Behauptungen gerecht werden, weiß ich (ebenfalls noch) nicht. Fakt ist: Die aktuell 10-teilige Reihe rund um das Lied von Eis und Feuer ist definitiv lesenswert und bereichert jedes Bücherregal. Auch wenn mein innerer Monk etwas unglücklich ist, dass der Buchrücken der letzten beiden Bände nicht vollkommen identisch mit denen davor ist.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung, auch wenn an der Handlung zunehmend zu merken ist, dass die Luft stellenweise raus ist, aber irgendwie fängt sich die Geschichte immer wieder. Man will einfach wissen, was noch alles geschehen wird. Für Neugierige wie mich furchtbar, aber auszuhalten.